Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 09.04.2015 (28 U 207/13) entschieden, dass eine an einem Pkw veränderte FIN-Nummer (Fahrgestellnummer) zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. So stellt das OLG klar, dass eine veränderte FIN-Nummer sowohl einen Sach- und Rechtsmangel des erworbenen Pkws darstellt. Der Entscheidung des OLG Hamm lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Kläger erwarb im Mai 2011 ein gebrauchtes Fahrzeug von dem Beklagten, bei welchem es sich um einen Autohändler handelt. Im Juli 2011 wollte der Kläger mit dem Pkw in Polen einreisen, es fiel jedoch bei einer Kontrolle durch die polnischen Behörden auf, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer des Pkws nicht gestanzt, sondern kopiert und aufgeklebt war. Die polnischen Behörden haben den Pkw dann wegen des Verdachtes auf Diebstahl beschlagnahmt und beabsichtigt, den Pkw dem früheren Eigentümer auszuhändigen. Diesbezüglich hat der Kläger im Nachhinein erfahren, dass es sich bei dem früheren Eigentümer um eine spanische Autovermietung handelt, welcher im Jahre 2007 der Pkw gestohlen worden ist. Der Pkw ist nach dem Diebstahl nach Polen verbracht und an eine polnische Firma verkauft worden. Anschließend wurde der Pkw an eine polnische Familie weiterveräußert, welche den Pkw wiederrum ihrerseits innerhalb der Familie vererbt hat. Anschließend wurde das Fahrzeug dann im April 2011 an den Beklagten verkauft und von diesem an den Kläger veräußert.

 

Der Kläger hat  dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangt. Der Beklagte hat sich hiergegen mit der Begründung gewendet, dass er selber das Fahrzeug gutgläubig erworben habe und zudem spätestens mit dem Erbfall in Polen ein gutgläubiger Erwerb auch möglich gewesen sei.

 

Diesem Vortrag der Beklagtenseite ist das OLG Hamm nicht gefolgt, sondern hat die Rechtsauffassung des Klägers, dass ein Rücktrittsrecht bestehe, bestätigt. Das OLG Hamm sieht zunächst in einer gefälschten FIN-Nummer einen Sachmangel, welcher zum Rücktritt des Käufers rechtfertigt. Darüber stellt eine gefälschte FIN-Nummer aber auch einen Rechtsmangel des Fahrzeuges dar. Dies deshalb, da eine gefälschte FIN-Nummer gegenüber den Behörden den Verdacht des Diebstahls erweckt und die Rückgabe an den mit der richtigen FIN-Nummer ausgewiesenen Eigentümer droht. Wenn dann der Käufer einen gutgläubigen Erwerb nicht nachweisen kann, was der Regelfall sein sollte, droht ihm der endgültige Verlust des Eigentums an dem Fahrzeug. Entsprechend bejaht das OLG Hamm neben dem Vorliegen eines Sachmangels aus den vorgenannten Gründen  auch das Vorliegen eines Rechtsmangels, sodass die Feststellung, dass die FIN-Nummer am erworbenen Fahrzeug gefälscht ist, zu einem Rücktritt rechtfertigt.

 

Fazit:

Die Ausführungen des OLG Hamm in seinem Urteil vom 09.04.2015 sind in sich schlüssig und konsequent. Selbst wenn tatsächlich das Eigentum an einem Pkw gutgläubig erworben werden konnte, ist der Käufer eines Fahrzeuges, welches eine veränderte FIN-Nummer hat, stets bei Feststellung dieser Tatsache dem Verdacht, ein gestohlenes Fahrzeug erworben zu haben, ausgesetzt. Im schlimmsten Fall kann der Käufer nicht nachweisen, dass ein gutgläubiger Erwerb vorliegt. Das Risiko, dass der erworbene Pkw nach Feststellung des früheren Eigentümers an diesen zurückgegeben wird und sich ein Nachweis des gutgläubigen Erwerbes nicht führen lässt, ist zutreffender Weise vom Gericht als Rechtsmangel angesehen worden.

Auch wenn der vorliegende Sachverhalt einem zunächst vielleicht unüblich vorkommt, kommt dieser doch häufiger vor, als vielleicht zunächst vermutet. Es ist gängige Praxis, dass FIN-Nummern nach dem Diebstahl eines Fahrzeuges abgeändert werden. Jeder, der einen gebrauchten Pkw erwirbt und nicht selber die Sachkenntnis hat, eine gefälschte FIN-Nummer zu erkennen, ist daher dem Risiko des Erwerbes eines derartigen Fahrzeuges ausgesetzt. Da in Deutschland gut 70% aller Fahrzeuge im Rahmen des Gebrauchthandels verkauft werden, zeigt sich, dass die oben erläuterte Konstellation durchaus eine Vielzahl von Personen treffen kann, womit die obige Entscheidung des  OLG Hamm in der Praxis durchaus relevant ist.

 

Source: Archiv Przytulla