Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 18.08.2015 (9 U 169/14) entschieden, dass die Verkehrssicherungspflicht eines Ladenbesitzers auch beinhaltet, nach Ladenschluss dafür Sorge zu tragen, dass seine Einkaufswagen sicher abgestellt und gegen Zugriffe unbefugter Dritter geschützt sind. Der Entscheidung des OLG Hamm lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

Das Fahrzeug des Klägers ist im Rahmen einer Fahrt beschädigt worden, weil ein Einkaufswagen des beklagten Ladenbesitzers kurz vor dem Vorbeifahren des Klägerfahrzeuges auf die Straße gerollt ist. Hierdurch wurde das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt. Der Kläger hat daraufhin den Ladenbesitzer wegen Verletzung seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen. Der Schadensersatzklage des Klägers wurde zu 80 % stattgegeben.

 

Das OLG Hamm hat bestätigt, dass der Ladenbesitzer die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht hinreichend gewahrt hat. Die Einkaufswagen des Beklagten waren gegen einen unbefugten Zugriff Dritter oder vor dem selbständigen Wegrollen nur unzureichend geschützt. So hat der Beklagte vor dem Gericht angegeben, dass er die Einkaufswagen lediglich mittels einer unverschlossenen Kette miteinander verbunden habe. Diese Sicherung hat das OLG Hamm als nicht ausreichend erachtet. So hat das Gericht ausgeführt, dass allein das Verbinden der Einkaufswagen mit einer unverschlossenen Kette nicht ausreichend sei, sondern in jedem Fall die Sicherung der Einkaufswagen mit einer abzuschließenden Kette zumutbar gewesen wäre. Da in zumutbarer Weise die Einkaufswagen des Beklagten leicht vor einem unbefugten Zugriff Dritter, bzw. einem selbständigen Wegrollen hätten geschützt werden können, muss sich der Beklagte eine Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht entgegenhalten lassen.

 

Die Haftungsquote von 80 zu 20 ist nur daraus gefolgt, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges mit 20 % in Ansatz gebracht worden ist. Die weit überwiegende Haftung hat das OLG jedoch wegen der Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht auf Beklagtenseite gesehen.

 

Das OLG Hamm hat allerdings offen gelassen, ob es ausreichend wäre, wenn die Einkaufswagen wie üblich mit einem Pfandsystem miteinander verbunden und nur gegen Abgabe eines Geldstückes zu lösen sind.

 

Fazit:

Weil nicht entscheidungserheblich, lässt das Gericht die Frage offen, ob eine ausreichende Sicherung durch das Verbinden der Einkaufswagen mittels eines Pfandsystems zu bejahen ist. Die Frage stellt sich, da zwar durch ein Pfandsystem die Einkaufswagen gegen ein selbständiges Wegrollen geschützt sind, jedoch der Zugriff unbefugter Dritter immer noch leicht möglich ist, soweit diese bereit sind 50 Cent für das Pfandsystem zu investieren. Letzten Endes wird die Entscheidung des OLG Hamm nur in den Fällen relevant, in denen eine Kollision  mit einem „herrenlosen“ Einkaufswagen erfolgt, der in keiner Weise gegen Wegrollen oder Zugriffe Dritter geschützt ist. Da heutzutage der Großteil der Läden die Einkaufswagen zumindest mittels eines Pfandsystems schützt, wird ein derartiges Unfallgeschehen, wie vorliegend, eher den selteneren Fall darstellen. Insofern wäre es interessant, die Frage entscheiden zu lassen, wie es mit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aussieht, wenn unbefugte Dritte einen mittels eines Pfandsystems geschützten Einkaufswagen entfernen und mit diesem ein Schadensfall stattfindet. In jedem Fall hat das OLG Hamm mit seiner Entscheidung klargestellt, dass eine Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sich nicht nur auf die Öffnungszeiten und die Geschäftsräume beschränkt, sondern ein Ladenbesitzer auch in der Verantwortung steht, für die von ihm außerhalb seines Geschäftes zur Verfügung gestellten Gegenstände Sorge zu tragen, insbesondere dafür, dass durch diese kein Dritter geschädigt werden.

 

 

Source: Archiv Przytulla